Coronavirus als unerwartet schwere Erkrankung einer Reiserücktrittsversicherung


Das Coronavirus stellt unvermeidbare außergewöhnliche Umstände im rechtlichen Sinne dar. Ansprüche aus einer Reiseversicherung und Reiserücktrittsversicherung sind einzelfallabhängig.

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Coronavirus und Reiseversicherung

  1. Coronavirus als unerwartet schwere Erkrankung im Rahmen einer Reiseversicherung und Reiserücktrittsversicherung (LG Darmstadt Urt. v. 02.06.2004, Az: 2 O 615/03):
  2. Eine unerwartet schwere Erkrankung i.S.v. § 2 Nr. 1 AVB-RR 2001 liegt vor, wenn bei dem Versicherungsnehmer aus dem Zustand des gesundheitlichen Wohlbefindens heraus Krankheitssymptome auftreten, die dem Reiseantritt entgegenstehen.
  3. Die Gefahr der Ansteckung mit dem Coronavirus SARS (Schweres Akutes Respiratorisches Syndrom) stellt selbst dann keine unerwartet schwere Erkrankung dar, wenn der Versicherungsnehmer bereits eine schwere Lungenentzündung hatte und unter einer fortdauernden Abwehrschwäche gegen Atemwegserkrankungen leidet.

Tatbestand (LG Darmstadt 2 O 615/03 zu Coronavirus)

Die Parteien streiten über Ansprüche aus einer Reiserücktrittsversicherung.

Die Kläger buchten im Sommer 2002 eine China-Reise für die Zeit vom 02.04.2003 bis zum 21.04.2003 über die Firma A.-S. in Rodgau. Sie schlossen in diesem Zusammenhang eine Reise-Rücktrittsversicherung bei der Beklagten unter Einbeziehung der AVB RR 2001 ab. Anfang April 2003 wurde in den Medien über das Auftreten der Coronavirus Erkrankung SARS (Schweres Akutes Respiratorisches Syndrom) unter anderem in dem Gebiet der geplanten Reise berichtet. Der Hausarzt riet dem Kläger zu 2) von der Reise ab, da der Kläger zu 2) bereits eine schwere Lungenentzündung hatte und unter einer fortdauernden Abwehrschwäche gegen Atemswegerkrankungen litt. Die Kläger traten daraufhin die geplante Reise nicht an, was sie der Beklagten mit Schreiben vom 02.04.2003 mitteilten. Durch den Rücktritt entstanden den Klägern Stornokosten in Höhe von insgesamt 6.646,00 EUR.

Die Kläger sind der Ansicht, der unerwartete Ausbruch der Coronavirus SARS-Epidemie in China zusammen mit dem extremen Ansteckungsrisiko des Klägers auf Grund seiner gesundheitlichen Vorbelastung müsse einer unerwartet schweren Erkrankung im Sinne des § 2 Nr. 1 AVB RR 2001 gleichgestellt werden, so dass Versicherungsschutz bestehe. Die Beklagte sei daher zur Übernahme von 80 % der Stornokosten verpflichtet.

Entscheidungsgründe (LG Darmstadt 2 O 615/03 zu Coronavirus)

I. Die zulässige Klage ist unbegründet.

Den Klägern steht kein Anspruch auf Ersatz der Stornokosten gegen die Beklagte zu, ein solcher ergibt sich insbesondere nicht aus dem Versicherungsvertrag der Reiserücktrittsversicherung.

Versicherungsschutz besteht nur in den von § 2 Nr. 1 AVB RR 2001 genannten Fällen, darunter demjenigen des Auftretens einer „unerwarteten schweren Erkrankung“. Eine Erkrankung im Sinne dieser Bestimmung liegt nur vor, wenn bei dem Versicherungsnehmer aus dem Zustand des gesundheitlichen Wohlbefindens heraus Krankheitssymptome auftreten, die dem Reiseantritt entgegenstehen (vgl. LG München, VersR 2001, 504 [505]; AG Nordhorn, VersR 2003, 767). Mithin müssen konkrete Symptome eines pathologischen Zustands vor Reiseantritt gegeben sein (vgl. AG München, VersR 2000, 486). Die vom Kläger geltend gemachte erhöhte Gefahr einer Erkrankung in Folge seiner Anfälligkeit für Atemwegserkrankungen reicht nicht aus, worauf das Gericht auch schon in der Ladung zur mündlichen Verhandlung vom 26.01.2004 hingewiesen hat.

Entgegen der Ansicht des Klägers kann der vorliegende Fall auch nicht dem einer unerwartet schweren Erkrankung gleichgestellt werden, da die Aufzählung in § 2 Nr. 1 AVB RR 2001 abschließend ist. Dem klaren Wortlaut der Bestimmung nach sollen nur die „nachstehenden Ereignisse“ Versicherungsschutz begründen. Eine Öffnung, etwa durch Einfügung des Wortes „insbesondere“, liegt gerade nicht vor.

Darüber hinaus scheidet auch nach dem sachlichen Gehalt der Bestimmung des § 2 Nr. 1 AVB RR eine Gleichstellung des vorliegenden Falls mit demjenigen einer unerwarteten schweren Erkrankung aus. Versicherungsschutz ist schon dann zu verneinen, wenn der Versicherungsnehmer bereits erkrankt ist, jedoch keine Indizien festgestellt werden können, dass es sich dabei um einen Krankheitsfall mit schwerem Verlauf handelt (OLG München, VersR 1987, 1032 – zu dem insoweit gleichgelagerten § 1 AVB RR a.F.; AG Bottrop, VersR 2003, 855; AG Hamburg, VersR 2002, 1420). Ein nur im Verhältnis zu anderen Versicherten gesteigertes Risiko einer Ansteckung kann daher erst recht nicht das Eingreifen von Versicherungsschutz begründen.

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